Was ist Metapraxis?
Metapraxis ist ein Werkzeug, um effektiv mit verschiedenen Praxisstilen zu arbeiten. Dies hat vier entscheidende Vorteile.
- Es stellt die Patient:innen in den Mittelpunkt.
- Es steigert die diagnostischen und therapeutischen Fähigkeiten erheblich.
- Es vertieft das Verständnis und den Zugang zu den Traditionen der chinesischen Medizin.
- Es bietet eine solide Basis für lebenslanges Lernen.
Metapraxis ist keine neue Erfindung. In der langen Geschichte der Chinesischen Medizin gab es immer wieder einflussreiche Ärzte, die ähnliche Modelle entwickelt haben, wie z.B. Ye Tianshi, Zhou Xuehai, Zhang Xichun oder Qin Bowei. In diesem Sinne ist Metapraxis nichts anderes als die lebendige Tradition der Chinesischen Medizin.
Ein Behandlungsprozess ist in der Metapraxis nicht durch einen einzigen Praxisstil bestimmt, in den Patient:innen eingepasst werden müssen, sondern durch die individuellen Patient:innen selbst. Denn wer Pathologie grundsätzlich auf die Konstitution der behandelten Person zurückführt, weil es dem eigenen Praxisstil entspricht, wird kaum in der Lage sein, akute epidemische Erkrankungen oder schwere Krankheiten durch Toxine effektiv zu behandeln. Und wer sich ausschließlich auf 2000 Jahre alte Rezepturen stützt, wird Schwierigkeiten haben, mit pathologischen Prozessen wie Schleim oder feuchter Wärme umzugehen, da Konzepte dazu erst in späteren Epochen entwickelt wurden.
Metapraxis hilft, klinisch effektiver zu arbeiten, weil mehr Werkzeuge zur Verfügung stehen. Diagnostisch werden in unterschiedlichen Praxisstilen unterschiedliche Instrumente wie Puls-, Zungen- oder Bauchdiagnose, Inspektion oder Hören betont. Metapraxis benutzt alle diese Instrumente, auch wenn nicht immer alles gleichzeitig notwendig ist. Denn die Patient:innen und der Kontext bestimmen den Fokus. Aber auch die eigenen, diagnostischen Stärken können eingebracht werden, da manche Therapeut:innen leichter visuelle Informationen verarbeiten, während andere lieber palpatorisch arbeiten.
Therapeutisch erfordert die Arbeit mit verschiedenen Praxisstilen in der Metapraxis eine genaue Definition von Konzepten wie zangfu, sechs Schichten, wenbing, Toxinen, oder fünf Wandlungsphasen. Denn die ungenaue Definition der Konzepte, die unterschiedlichen Praxisstilen zugrunde liegen, führt in der Praxis oft zu ungenauen Behandlungen. Gleichzeitig erfordert die Vernetzung verschiedener Stile das Erarbeiten konzeptueller Gemeinsamkeiten mit klinischer Relevanz. Das kann eine Herausforderung sein, erweitert aber letztendlich unser therapeutisches Wissen und vertieft unser Verständnis von den Ursprüngen der chinesischen Medizin. So ermöglicht Metapraxis, die eigenen klinischen Fähigkeiten systematisch zu erweitern, ohne jemals durch das bereits Gelernte eingeschränkt zu werden.
Die Elemente der Metapraxis
Metapraxis basiert auf drei Kernelementen:
- Prinzipien (li 理): Konzeptuelles Wissen, einschließlich des Verständnisses dafür, wie sich dieses Wissen im Laufe der Zeit verändert hat.
- Strategien oder Methoden (fa 法), die sich auf einen Werkzeugkasten von diagnostischen und therapeutischen Werkzeugen beziehen, einschließlich der Kräuter und Rezepturen, die wir in der täglichen Praxis verwenden.
- Absicht/Aufmerksamkeit/Urteil/Sinngebung (yi 意): Die Fähigkeit, Prinzipien und Methoden auf klinisch wirksame Weise in Verbindung zu bringen.
In diesem Kurs werden Kenntnisse, Werkzeuge und Fähigkeiten für diese Elemente vermittelt, d.h.:
- ein tieferes Verständnis von Anatomie, Physiologie und Pathologie in der chinesischen Medizin als das, welches in der gängigen TCM-Literatur vermittelt wird
- ein besseres Verständnis der Schlüsselkonzepte der chinesischen Medizin und ihrer Veränderung im Laufe der Zeit, was zu einer einfacheren Handhabung in der Praxis führt
- diagnostische und therapeutische Methoden, die vom Einfachen bis zum Komplexen reichen und denen weitere Elemente hinzugefügt werden können, wenn sich die eigenen Fähigkeiten als Praktiker:in weiterentwickeln
- der Fähigkeit, verschiedene Elemente der chinesischen und westlichen Medizin produktiv miteinander zu vernetzen.
Volker Scheid kann auf seine umfangreichen Kenntnisse der chinesischen Medizingeschichte und -literatur, auf vierzig Jahre klinische Praxis und mehr als zwei Jahrzehnte Unterrichtstätigkeit zurückgreifen. Auch Nalini Kirk widmet sich seit mehr als zwei Jahrzehnten der Verbindung von chinesischer Medizingeschichte und klinischer Praxis sowie seit 15 Jahren der Strukturierung des vielfältigen traditionellen Wissens für einen zeitgemäßen Unterricht in chinesischer Arzneimitteltherapie. Gudrun Kleinrath als Ärztin für Allgemeinmedizin und Wolfram Schwarz als Facharzt für Innere Medizin praktizieren seit Jahrzehnten Metapraxis und vernetzen diese mit ihrem Wissen zur Schulmedizin. Sie sind dadurch in der Lage, Metapraxis bis in die heutige Zeit weiterzudenken, indem moderne Pathophysiologie integriert wird.
Konzept
Didaktisch befasst sich der Kurs über die drei Jahre hinweg mit sechs verschiedenen, aber miteinander vernetzten, Sichtweisen auf den Körper, der im Zentrum unseres medizinischen Handelns steht. Diese Sichtweisen sind historisch in verschiedenen Entwicklungsphasen der chinesischen Medizin entstanden, werden aber heute meist so dargestellt, als ob sie schon immer zusammengehört hätten. Aus diesem Grund erscheint die chinesische Medizin oft wie ein undurchdringliches Dickicht. Denn die verschiedenen Perspektiven und Sichtweisen sind nicht immer kongruent und ergeben kein geschlossenes System.
Anstatt daher den Körper durch ein vermeintlich geschlossenes System zu betrachten, das in der Praxis immer wieder zusammenbricht, oder nur durch eine Sichtweise, was nur beschränkt hilft, wenn es darum geht, die Pahthophysiologie zu entschlüsseln oder exakt zu adressieren, bietet Metapraxis eine Methode, die unterschiedlichen Sichtweisen flexibel miteinander zu vernetzen und pathologische Prozesse in ihrer Ganzheit zu erfassen.
Bei den sechs verschiedenen Körper-Perspektiven handelt es sich um
- Den kosmologischen Körper, der als Mikrokosmos in den Makrokosmos der Umwelt integriert ist, und den wir mit Hilfe von Logiken der Resonanz (z.B. Fünf Wandlungsphasen, Yin/Yang) beschreiben und behandeln.
- Den physiologischen Körper, den wir über vitale Substanzen wie Qi, Blut, oder Körperflüssigkeiten verstehen.
- Den vernetzten Körper, der aus Leitbahnen und Gefäßen aufgebaut ist, in denen es zu Blockaden und Obstruktionen kommen kann.
- Einen territorialen Körper, in den Pathogene oder Toxine eindringen, und der durch die strategische Logik der Kriegsführung behandelt werden muss.
- Einen dynamischen Körper, der durch ineinander übergreifende Rhythmen organisiert ist, die wir über Konzepte der Qi-Dynamik erfassen.
- Einen anatomischen Körper, der sich mechanisch aus verschiedenen Strukturen zusammensetzt.
Diese Körper finden wir auch in anderen Medizinsystemen, wie z.B. der westlichen Medizin, wo wir sie durch Anatomie, Physiologie, Chronobiologie, Immunologie usw. erfassen. Auch dort bilden sie nie ein einheitliches, in sich geschlossenes System.
Obwohl es anfänglich schwierig sein kann, die Idee eines solchen Systems aufzugeben, erkennen Teilnehmer:innen üblicherweise schnell die Vorteile des Metapraxis-Ansatzes. Didaktisch ist der Vorteil von Metapraxis, dass im Verlauf der dreijährigen Ausbildung das gleiche Terrain immer wieder neu durchquert wird. Zum Beispiel wird die Auseinandersetzung mit verschiedenen Arten von Qi ergänzt und wiederholt, wenn man die Physiologie von Substanzen wie Blut und Flüssigkeiten tiefer kennenlernt. Und der territoriale Körper, der durch Konzepte wie die sechs Schichten (liu jing) oder den dreifachen Erwärmer (sanjiao)organisiert ist, ist letztlich ein Ort, in dem diese verschiedenen Qi und Substanzen ihre Funktionen erfüllen.
Organisation des Kurses
Der Kurs besteht aus zwölf zweitägigen Modulen, die über drei Jahre unterrichtet werden und live und online angeboten werden.
- Sechs Module werden in Form von Präsenzseminaren über vierzehn Stunden an zwei aufeinanderfolgenden Tagen (Sa/So) unterrichtet. Diese Module werden ebenfalls live gestreamt und können online besucht werden.
- Sechs Module werden an zwei Tagen in zwei aufeinanderfolgenden Wochen online angeboten (Samstag in Woche 1 und Sonntag in Woche 2).
- Die Module 1-11 werden durch ein zweistündiges Online-Tutorium ergänzt. Diese Tutorien sind so organisiert, dass alle Kursteilnehmer die in den Seminaren vermittelten Informationen verstanden haben. Die Tutorien werden von Praktikern durchgeführt, die seit vielen Jahren bei Volker Scheid studieren und selbst in der Metapraxis tätig sind.
- Alle Vorlesungen werden aufgezeichnet und den Kursteilnehmern für die Kurszeit auf einer professionellen Lernplattform (Moodle) zur Verfügung gestellt.
- Das Selbststudium ist ein weiterer fester Bestandteil des Kurses. Vor jedem Modul gibt ein Leitfaden Auskunft, was vor dem Modul repetiert werden sollte, um sicherzustellen, dass alle dem präsentierten Material folgen können.